31.3.2021

Digitale Intelligenz: Wir müssen Digital Citizenship lernen!

Tipps und Handlungsempfehlungen für Eltern, Pädagogen und Co.

Auf diese acht menschlichen Fähigkeiten kommt es für eine erfolgreiche digitale Zukunft an

Die digitale Welt ist ein aufregender Ort, nicht wahr? Voller Träume, Möglichkeiten und Chancen. Was täten wir alle heute - vor allem in Pandemie-Zeiten - ohne unsere digitalen Möglichkeiten wie Handy, Tablet und Co.? Niemand könnte von zu Hause arbeiten, Kinder könnten nicht (wenn es denn mal funktioniert) aus der Ferne unterrichtet werden. Keine Netflix- Sessions und kein Glas Wein vor Zoom mit Freunden, weil es sonst so einsam ist. Wir könnten weder online einkaufen noch verkaufen. Diese Liste könnte ich und sicher auch Ihr zuhause, endlos weiter führen. Und für diese vielen tollen Optionen sollten wir dankbar sein. Denn sie bescheren uns allen eine spannende und sogar ertragreiche neue Welt!


Doch wie es leider so ist: Mit allen Chancen gehen Risiken einher. So wie wir Risiken in unserer “alten”, analogen Welt kennen (Straßenverkehr und vieles mehr), so gibt es diese natürlich auch für die digitale Wirklichkeit. Und ja, auch der digitale Raum ist zu unserer Wirklichkeit geworden. Eine Realität, die Sorgen und Stress verursachen, und in der wir Schaden erleiden können, wenn wir nicht Acht geben. Persönliche Daten und Informationen werden gestohlen, sogenannte Internet- Trolls suchen sich ihre Opfer im Netz, um diese ohne ersichtliche Gründe zu beleidigen oder zu beschämen. Gewalt und Pornografie gibt es endlos in Netz, und Themen wir Bullying (Cybermobbing) oder Shaming machen nicht nur Kindern und Jugendlichen schwer zu schaffen.


Jeder sechste Schüler hierzulande ist mittlerweile von Cybermobbing betroffen. Die Zahl der Kinder und Jugendlichen zwischen 8 und 21 Jahren ist seit 2017 um 36 Prozent gestiegen, von 12,7 Prozent auf 17,3 Prozent in 2020. In absoluten Zahlen sind das fast zwei Millionen Kinder und Jugendliche. Das zeigt die aktuelle Studie "Cyberlife III - Cybermobbing bei Schülerinnen und Schülern", die das Bündnis gegen Cybermobbing in Kooperation mit der Techniker Krankenkasse (TK) in Auftrag gegeben hat.  Heutzutage blicken Jugendliche und Kinder mehr auf Bildschirme als in echte menschliche Gesichter. Die kontinuierliche Mediennutzung führt unweigerlich zur Abnahme von sozialen Fähigkeiten und Empathie. Die gesellschaftlich goldene Regel “Behandle andere so, wie du selbst behandelt werden möchtest!” scheint in immer weitere Ferne zu rücken.


Aber alles schwarz zu malen und jungen Menschen den Zugang zu dieser Realität zu verweigern, wäre grob falsch. Wie können also Lösungen aussehen? Lösungen, die wir so dringend brauchen, um unsere jungen Generationen, und auch uns selbst, fit, stark und gut gerüstet in diese Welt zu entlassen?
Es muss uns darum gehen, unsere Kinder zu digital intelligenten Menschen zu erziehen. Digitale Intelligenz, wie ich es hier nenne, ist eine Zusammensetzung unterschiedlichster Fähigkeiten. Diese Fähigkeiten, die im englischsprachigen Sprachraum auch als “Digital Citizenship” bezeichnet werden, möchte ich hier einmal ausführen. Was gehört also dazu, um digital intelligent zu sein? Wie werde ich ein guter Digital-Bürger? Was muss man können und drauf haben?

©Unsplash

1. Cyber Safety und Security


Hierzu gehört die Fähigkeit, persönliche und private Daten durch geeignete Passwörter zu schützen und in der Lage zu sein, diese so gut wie möglich vor Hacker- Angriffen abzuschirmen.

2. Digitale Empathie


Dies ist die Fähigkeit, sich selbst und auch anderen gegenüber empathisch zu sein und zu handeln, etwa wenn es um Gefühle und Bedürfnisse von Mitmenschen geht.

3. Digitaler Fußabdruck


Zudem sollten wir auch das Konzept des digitalen Fußabdrucks, also wo ich digital meine Spuren hinterlasse,  verstehen und in der Folge auch mit den realen Konsequenzen gut umgehen können. Ein Beispiel: Wer sich auf eine neue Stelle bewirbt, dem sollte bewusst sein, dass der potenzielle neue Arbeitgeber googelt und etwa auf Facebook recherchiert, ob der Bewerber oder die Bewerberin auch wirklich passt. Ausufernde Partyfotos können hier einen äußerst schlechten Eindruck hinterlassen. Selbst wenn diese zehn Jahre alt sind.

4. Kritisches Denken


Erforderlich ist außerdem die Fähigkeit, zwischen echten und falschen Informationen, zwischen guten und schädlichen Inhalten und vertrauenswürdigen und nicht vertrauenswürdigen Kontakten zu unterscheiden. Wer darf das Instagram-Profil sehen? Ist der scheinbar so nette Chatpartner wirklich so vertrauenswürdig, dass ein Treffen im wahren Leben angebracht ist? Sollten nicht erst die Eltern oder Freunde gefragt werden?

5. Privatsphäre


Diese wichtige Fähigkeit verlangt, sorgsam mit eigenen Daten und deren Verbreitung umzugehen. Die eigene Telefonnummer, der Klarname, eine Adresse oder private Bilder haben im Netz nichts zu suchen, und wenn, dann nur hinter strikten Schranken, wer Einblick erhält.

6. Digital Citizen Identity


Hinter diesem Begriff versteckt sich die Fähigkeit, eine gesunde und konstruktive Online- aber auch Offline-Identität zu schaffen. Hate Speech oder diffamierende Äußerungen? Nein, Danke! Wie ich mich im Netz gebe, so werde ich online und offline wahrgenommen.

7. Screen Time / Bildschirmzeiten


Dies ist die Fähigkeit, mit Bildschirmzeiten, Multitasking und dem eigenen
Online-Verhalten konstruktiv umzugehen. Kann ich das Handy auch mal zu Hause lassen? Kann ich den Rechner guten Gewissens ausschalten, ohne zu befürchten, eine wichtige Nachricht zu verpassen oder unbedingt noch ein Level spielen zu müssen?

8. Cybermobbing oder Shaming

Darüber hinaus brauchen wir alle dringend die Fähigkeit, Cybermobbing, im englischen Sprachraum auch Cyberbullying genannt, zu erkennen, aufzudecken und richtig damit umzugehen. Machen wir ruhig den Mund auf, wenn wir das Gefühl haben, dass etwas falsch läuft: Im realen Leben und im Netz. Zeigen wir Zivilcourage und stehen wir denjenigen bei, die vielleicht gerade zum Opfer werden.


Diese acht Kernfähigkeiten gilt es zu erlernen. Und alle dieser Fähigkeiten müssen in unseren bereits existierenden menschlichen Werten, wie Integrität, Respekt, Empathie und Vorsicht verankert werden.


Eine Mammutaufgabe, ohne Zweifel. Doch es lohnt sich, bieten uns die oben genannten Fähigkeiten doch ein gutes Rüstzeug, um in dieser digitalen Welt zurecht zu kommen. Und sie zeigen besonders uns Deutschen, wie viel weiter und tiefer die digitale Ausbildung in Zukunft wird gehen müssen. Der von der Bundesregierung eingesetzte Digitalpakt, in dem es nur um die technische Ausstattung von Schulen geht, darf und muss ausschließlich der erste Tropfen auf den so heissen Stein sein. Um den Anschluss an den Rest der Welt nicht zu verlieren und uns auch selbst treu bleiben zu können, müssen wir investieren in DIGITAL INTELLIGENTE Menschen. Dies ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Hier sind wir alle gefragt. Und dann, so bin ich sicher, werden wir das auch schaffen!

Bis zum nächsten Mal, Eure Stephanie