26.5.2021

"Houston, wir haben ein Problem." Tipps fürs nächste Video-Meeting

Von schwarzen Bildschirmen, Panikattacken und gemeinen Bemerkungen im Chat: Auch Videokonferenzen müssen gelernt sein – vor und nach Corona.

Statt im Yoga-Studio findet die abendliche Trainingseinheit im heimischen Wohnzimmer statt. Papa kann, obwohl durch Homeoffice seit Monaten zu Hause, mal wieder nicht pünktlich zum Abendessen kommen, weil noch ein „Call mit den USA“ ansteht. Und der Mathelehrer versucht den Kindern zwar Bruchrechnung zu erklären, doch sein Mikro scheint den Geist aufgegeben zu haben: „Tut mir echt leid, aber die Technik spinnt heute….“. Situationen wie diese sind uns allen seit Beginn der Corona-Pandemie wohlvertraut. Laut Bitkom machen Arbeitnehmer rund acht Videocalls pro Tag.  77 Prozent nutzen deutlich mehr Videotelefonie als zuvor. Zwar kommt seit einigen Wochen ein Stück Normalität zurück und  Schulunterricht „as usual“ rückt in greifbare Nähe. Dennoch werden Videokonferenzen von nun an zum Alltag dazugehören – und wir müssen lernen und unsere Kinder lehren, was hierbei zu beachten ist.

Was mir bei diesem Hype um Zoom, Webex, Jitsi, Teams, IServ und Co. aber viel zu kurz kommt: Wer bereitet unsere Kinder (und uns?) eigentlich darauf vor, wie wir uns vor der Kamera verhalten sollten? Erst neulich habe ich mit einer befreundeten Lehrerin gesprochen, die mir ihr Leid klagte: Keiner ihrer Teenager-Schülerinnen und -Schüler wage es, in der Videokonferenz die Kamera anzuschalten. So manche Stunde spräche sie mit ihrem eigenen Kamerabild ins schwarze Leere. Bei meinem 12-jährigen Neffen Philipp habe ich dann nachgefragt: „Ist es so, dass sich einige Klassenkameraden nicht trauen die Kamera anzumachen, wenn Unterricht stattfindet?“ Er antwortete: „Ja, auf jeden Fall! Aber nicht alle von denen trauen sich nicht. Manche haben auch einfach keinen Bock!“

copyright adrienne hedger

Ich habe mir ein paar Gedanken gemacht. Was sollten Eltern und Lehrer Kindern in Sachen Videotelefonie mit auf den Weg geben? Was sollten Schülerinnen und Schüler beherzigen? Auf dass in der nächsten Video-Englischstunde weniger Panik herrscht, niemand gemeine Witze im Chat reißt oder die private Nachricht, die eigentlich nur an den besten Freund gehen sollte, aus Versehen mit der gesamten Klasse nebst Lehrkraft teilt: „Oh, die Frau Meyer sieht heute aber echt fertig aus….!“ Hier kommen vier Tipps:

1. Wer gut vorbereitet ist, hat weniger Angst

Das kennen wir alle: Mangelt es an Vorbereitung, ist die Technik unbekannt oder stehen eine Menge Fragen im Raum, steigert das die Unsicherheit um ein Vielfaches. Mein erster Tipp lautet daher: Schaut auch die Videolösung genau an, testet Mikro und Kamera (vielleicht in einem Probe-Call mit Freunden oder der Eltern?). Sucht Euch – wenn möglich – einen ruhigen Ort, denn die kleine Schwester, die mitlauscht oder die nervige Spülmaschine können extrem ablenken und nervös machen, oder? Neulich durfte ich einen spannenden Homeschooling- Arbeitsplatz betrachten: Die Tochter meiner Freundin Alexandra hatte den Wandschrank ausgeräumt und in ihm ihr „Klassenzimmer“ eingerichtet. Dort, meinte sie, könne sie sich gut konzentrieren und sei vor den anderen „sicher“.  Not macht kreativ! Wenn der Wandschrank zum Arbeitsplatz wird und hilft, in Ruhe zu arbeiten, ist das doch toll. Wenn man dann an seinem Platz sitzt und die Technik vorher getestet hat, sollte man sich außerdem seine Unterlagen,  einen Block, Stifte und vielleicht ein Glas Wasser zur Seite stellen. So kann die Video-Konferenz starten.

2. Wählt Euch früh genug ein!

So mancher mag denken: „Ach, bei einer Videokonferenz ist es doch egal, ob ich eine oder zwei Minuten später drin bin.“ Das stimmt aber nicht: Zum einen finde ich Pünktlichkeit in allen Lebenslagen wirklich wichtig und erstrebenswert. Zum anderen hilft ein frühzeitiges Einwählen dabei, Stress zu mindern und Gelassenheit zu steigern. Es bleibt so Zeit, die Kamera- und Mikroeinstellung zu überprüfen, eventuell noch kurz mit der Freundin zu chatten. Auch für den Lehrer (oder den Host) ist es so einfacher, die Stunde zu beginnen. Denkt dran: Der Beginn eines Videocalls ist wie der Beginn eines Meetings oder einer Unterrichtsstunde. Wer rechtzeitig beginnt, kann auch rechtzeitig wieder beenden.

3. Bleibt höflich, wahrt Anstand und lästert nicht!

Das, was in allen Lebenslagen gilt, sollte auch in Videotelefonie und Chat zum guten Ton gehören: Es wird nicht über andere hergezogen – egal, ob diese auch in der Konferenz sind, oder nicht. Es werden keine Halbwahrheiten oder Beleidigungen verbreitet. Es ist wirklich schwer nachvollziehbar, weshalb in unserer heutigen Gesellschaft „Hate Speech“ und verunglimpfende Äußerungen so verbreitet sind. Videokonferenzen sind nun ein weiterer Kanal, den einige nutzen, um sich über andere auszulassen. Ich finde: Das darf nicht sein! Auch wenn die momentanen Zeiten für alle eine große Herausforderung darstellen und der Stresslevel bei vielen hoch ist: Diesen Stress und andere Frustrationen an anderen auszulassen ist weder im analogen noch im digitalen Raum okay. Eltern sollten daher mit ihren Kindern über „Netiquette“ sprechen, sich aber auch an die eigene Nase fassen: „Äußere ich mich immer korrekt und respektvoll bei Facebook, LinkedIn, XING, Teams oder Zoom?“  

4. Beteiligt Euch, stellt die richtigen Fragen!

Letztendlich ist eine Videokonferenz Unterricht oder Kundenmeeting. Auch wenn das manchmal gar nicht ganz so eindeutig zu erkennen ist.  Gerade wenn die Kamera und auch das Mikro aus sind, nutzen einige die Situation, um Dinge zu erledigen, die rein gar nichts mit Schule, Training oder Meeting zu tun haben – die Nägel lackieren vielleicht, ein kariertes Blatt vollkritzeln oder das neuste Handy-Spiel ausprobieren…. Ich finde es ungemein wichtig, dass die Zeit in der Videokonferenz produktiv und gut genutzt wird – zum einen, um den Referenten, den Lehrer oder die Lehrerin nicht im Regen stehen zu lassen, wenn niemand antwortet. Zum anderen aber auch, weil eine Videokonferenz Kommunikation ist, und die besteht nun mal aus mehreren Parteien. Eltern sind hier wie in so vielen anderen Bereichen Vorbild. Sie müssen mit ihrem Nachwuchs besprechen, was sich gehört und was nicht sein sollte! Wenn wir uns gegenseitig respektieren, wird es für alle einfacher.  So können Eltern und Lehrer etwa an die Schüler appellieren: „Seid mutig, macht mit und überlegt Euch Fragen – auch zur Aufgabe, die sich vielleicht an die Konferenz anschließt.“ Denn das sorgt auch dafür, dass Eltern weniger eingespannt werden müssen, wenn ein Teil der Aufgabe vielleicht nicht richtig verstanden wurde…

Soweit ein paar erste Ideen, um „Videokonferenzen zu lernen“. Ich denke aber, dass hier noch ein paar Punkte fehlen, oder? Was denkt Ihr? Ich würde mich freuen, wenn Ihr mir Eure erlernten Tipps und Tricks des Video-Conferencing  sendet, damit ich sie das nächste Mal mit allen teilen kann!

Entschuldigung, ich verabschiede mich an dieser Stelle – mein nächster Zoom-Call steht an.

Viele Grüße und bis bald, Eure S