15.10.2021

Sharenting: Think before posting!

Wir alle sind mächtig stolz auf unsere Kinder und möchten unsere Freude über gemeinsame Erlebnisse, Entwicklungen und Erfahrungen gerne mit anderen teilen. So weit, so schön… Manchmal frage ich mich aber, ob Eltern zeitgleich mit Geburtsvorbereitungskurs und Auswahl des passenden Kinderwagens nicht auch einen Workshop belegen sollten: „Wie schütze ich mein Kind im Internet? Welche Bilder dürfen geteilt werden, und welche gehören schlichtweg nicht ins Netz?“

 

Meist geschieht es unbewusst und keinesfalls mit unlauteren Absichten. Doch was nützt das, wenn das niedliche Bild vom einjährigen Sohn im Planschbecken plötzlich in dunklen Kanälen abrufbar ist? Vor einigen Wochen bin ich auf diese Geschichte gestoßen: Ein Mann aus Bayern hatte via WhatsApp ein altes Foto von sich und seinem nackten Sohn gepostet. Der Sohn wusste davon und beide fanden die Aktion ungemein lustig. Trotzdem hat das Ganze nun ein rechtliches Nachspiel. Denn in diesem Sommer ist ein neues Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder in Kraft getreten. Hiermit einher gehen Verschärfungen auf dem Gebiet der Kinderpornographie, darunter der Besitz oder die Beschaffung derartiger Bilder, da der Vater das Foto seines Sohnes öffentlich gemacht hatte. Eine mögliche Konsequenz sind ein bis zu zehn Jahre Freiheitsstrafe. Vollumfänglich wird das Gesetz am 1. Januar 2022 in Kraft treten. Egal, ob also böse Absichten im Spiel sind oder nicht: Eltern sollten stets wissen, welche Auswirkungen lustig gemeinte Fotos und Kommentare haben könnten, und wer die Bilder aus dem Netz fischen könnte.

Eltern sind stolz auf ihre Kinder - zu Recht. Doch nicht jedes Bild sollte unbedacht gepostet werden.

Gefährliche Eigendynamik

Es ist diese Unbedarftheit, die mich oftmals ärgert, schockiert, verwundert. Es gibt sogar einen eigenen Begriff für dieses Phänomen: Sharenting, eine Mischung aus „Share“ (also das Teilen von Inhalten im Netz) sowie „Parenting“ (elterliche Erziehung). Wurde ein Bild gepostet, entwickelt sich eine Eigendynamik, die niemand kontrollieren kann. Vor allem dann nicht, wenn die Facebook- oder Instagram-Konten der Eltern öffentlich sind und Verbrecher die Postings für ihre Zwecke missbrauchen. Bilder lassen sich automatisch von Instagram-Accounts kopieren und im Netz anbieten, Gesichter auf andere Körper in abscheulichen Posen setzen. Das will wohl niemand! Und was passiert, wenn sogar eine Adresse oder Informationen zum Aufenthaltsort des Kindes gepostet werden? Eine Albtraumvorstellung! Sobald ich ein Bild ins Internet stelle, egal welches, habe ich damit die Kontrolle über jenes abgegeben. Das muss uns allen bewusst sein.

Worüber auch oft gar nicht nachgedacht wird: Auch Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf Privatsphäre und ein Recht am eigenen Bild. Eigentlich müsste man unsere Kinder jedes Mal um Erlaubnis bitten, wenn wir ein Bild von ihnen posten wollen. Das ist natürlich bei kleinen Kindern so nicht möglich. Denn sie verstehen unmöglich das Ausmaß dessen, wonach sie gefragt werden. Deshalb liegt es an uns verantwortungsvoll und achtsam mit den Bildern unserer Kinder umzugehen. Meine Kinder sind bereits erwachsen. Aber wenn ich etwas poste, das sie in irgendeiner Form betrifft, frage ich sie vorher um Einverständnis. Bei Kindern in der Pubertät kann man sich dann oft ein „Nein, auf keinen Fall. Das ist ja peinlich!“ einholen. Damit ist dann der eine oder andere Post dahin. Und dennoch ist es ungemein wichtig, ihre Rechte, Meinung und ihre Privatsphäre zu respektieren. Wie sonst sollen sie es sonst lernen?

 

Sharing-Tipps

Was kann man also tun? Zunächst einmal sollte gut überlegt werden, welches Bild und ob überhaupt Fotos ins Netz gestellt werden.Die Initiative „Schau hin!“ hat ein paar gute Tipps zusammengestellt. So ist es etwa ratsam, nur Bilder zu posten, auf denen Kinder nicht klar zu erkennen sind, beispielsweise verkleidet sind oder eineSonnenbrille tragen. Die Ortsbestimmung sollte beim Hochladen deaktiviert sein,Bilder idealerweise nicht in der Cloud gespeichert werden. Auch das DeutscheKinderhilfswerk empfiehlt mit der Initiative #DenkenFragenPosten zudem, Kinder einzubeziehen und offen zu fragen, ob sie zustimmen, dass Bilder geteilt werden. Darüberhinaus sollten die Sicherheits- und Privatsphäre-Einstellungen der sozialenNetzwerke regelmäßig kontrolliert werden, denn nur so wissen Eltern, wer dieBilder wirklich sehen kann. Ein weiterer wichtiger Tipp: Eltern müssen ihr eigenes Daten- und Sharing-Verhalten immer wieder hinterfragen, sich gut informieren, ihrer Vorbildfunktion gerecht werden.

 

Wir können uns doch nicht ständig über die „Jugend von heute“ echauffieren, die scheinbar so sorglos alles mit jedem teilt und selbst kaum verantwortungsvoller oder informierter handeln.

 

In diesem Sinne: Happy, but responsible posting!

 

Eure Stephanie